50 Jahre Gemeindetag: Präsident Steffen Jäger stark – MP Kretschmann schwach …

Eine eindrucksvolle Rede hat der Präsident des Gemeindetages, Steffen Jäger, anlässlich des 50-jährigen Jubiläum des kommunalen Spitzenverbandes von rd. 700 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern sowie zahlreichen Ehrengästen aus dem Landtag, der Landesregierung und Spitzenvertretern der Landesverwaltung gehalten.
Städte und Gemeinden sind die Orte der Wirklichkeit. Hier trifft die Politik auf Menschen! Hier einige Auszüge aus seiner Rede:

1. Zum Thema Standards, …
„Die Zeiten von zusätzlichen Standards, Rechtsansprüchen und staatlichen Leistungszusagen müssen vorbei sein! Auch die Menschen spüren, dass unser Staat zunehmend an seine Grenzen kommt. Nach einer Umfrage für den ARD-Deutschlandtrend vom September 2023 sind zwischenzeitlich 55 Prozent der Menschen mit unserer Demokratie unzufrieden. Das muss ein Alarmsignal für alle sein, die hierzulande politische Verantwortung tragen. Und ich will ganz deutlich sagen: Für uns Kommunen ist dies ein Alarmsignal. Wenn man genauer hinschaut, worin die Gründe dafür liegen, dann ist ein Hauptgrund die Tatsache, dass politische Versprechen nicht eingehalten werden…. Die Summe der staatlichen Leistungsversprechen übersteigt die staatliche Leistungsfähigkeit – und die Menschen merken das“.

2. Zum Thema Normenkontrollrat, …
„… natürlich wollen wir auch mit dem neuen Normenkontrollrat gut abgestimmt und ergebnisorientiert zusammenarbeiten. Und dabei begrüßen wir einen neuen Ansatz in der Arbeit des NKR: den Praxischeck. Demnach soll ein Gesetz, bevor es im Parlament beschlossen wird, dahingehend geprüft werden, ob es auch in der Praxis umgesetzt werden kann. Meine Damen und Herren, das wäre ja durchaus mal ein Anfang! Ganz nach dem Grundsatz von Montesquieu: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu
machen.“

3. Zum Thema Aufnahme geflüchteter Menschen
„… In den Städten, Gemeinden und Landkreisen Baden-Württembergs wurden in den letzten 20 Monaten mehr als 220.000 Geflüchtete aufgenommen. Unsere Kommunen stehen damit in einem Maße zu ihrer humanitären Verantwortung, wie kaum anderswo in der EU. Doch die regulären Aufnahmekapazitäten sind längst belegt und die Integrationsressourcen überlastet:
In den Kitas gab es schon vor der Flüchtlingswelle keine freien Plätze mehr, und auch die Schulen sind voll. Die ärztliche Versorgung ist über der Belastungs-grenze, und Sprachkurse gibt es nicht annähernd in ausreichendem Maße. Von Wohnraum ganz zu schweigen. Das Personal in den Ordnungsämtern und Ausländerbehörden arbeitet weit über dem Limit. Kurzum: Die Grenzen des Machbaren sind vielerorts bereits überschritten… Es braucht daher wirksame
Maßnahmen, um eine Überforderung des Gemeinwesens, aber auch um einen Verlust des gesellschaftlichen Akzeptanzgleichgewichtes abzuwenden“.

4. Zum Thema Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung in der Grundschule
„… Der beschlossene Rechtsanspruch macht aber einen systematischen Webfehler deutlich: Der Bund beschließt eine neue Aufgabe, die Umsetzungs- und die Erfüllungsstandards werden von Bund und Ländern definiert, und die Kommunen sollen diese dann umsetzen. … Meine Damen und Herren aus der Bundes- und Landespolitik, dieses Gesetz ist nichts anderes als ein Vertrag zu Lasten Dritter. Bundestag und Bundesrat haben einen Porsche beauftragt, bezahlen aber nur einen VW-Lupo. Und das birgt die große Gefahr, dass erneut viele Enttäuschungen entstehen werden, wenn sich dieser Rechtsanspruch nicht vollständig erfüllen lässt“.

5. Zum Thema Fachkräftemangel
„… Im öffentlichen Dienst ist dieser Mangel schon heute massiv zu spüren. Und er wird jeden Tag größer. Und da die Stellenpläne der Städte und Gemeinden nicht die Höhen erreichen, wie die eines Stellenplans bei den übergeordneten Ebenen, schlägt der Mangel hier besonders stark durch. Der sich verstärkende Arbeitskräftemangel droht dadurch die Erfüllung der kommunalen Daseinsversorgung zu gefährden. Umso mehr gilt es, einen politischen Masterplan mit konkreten Maßnahmen zur Überwindung dieser Mangelsituation anzugehen. Dazu zählen eine gezielte Fach- und Arbeitskräfteeinwanderung, eine kluge und
konsequente Digitalisierung und auch eine weiter verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf“.

Sein Fazit: „Die Kommunen sind damit das Fundament für eine gute Zukunft unserer Demokratie und unseres Landes. Ein Fundament muss man aber stets stabil halten und stärken, man darf es auf keinen Fall überlasten. Dazu braucht es – bei allem politischen Anspruch, die Welt zum Besseren zu verändern – endlich wieder mehr Realitätssinn für das Machbare und für das Erforderliche. Ich bin mir sicher, dass auf einem solchen Fundament starker Kommunen, eine wohlständige und nachhaltige Zukunft für unser Land gebaut werden kann“.

Bildungsleiter Friedhelm Werner war in Villingen-Schwenningen vor Ort und meint dazu:

„Die Rede von Steffen Jäger war hervorragend und hat zurecht „Standing Ovations“ der rund 700 Gäste hervorgerufen. Alle relevanten Herausforderungen, vor denen die Kommunen stehen, wurden von ihm angesprochen und konzentriert auf den Punkt gebracht. Die anschließende Rede des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann war dagegen blass und bezog sich in kaum einem Punkt auf die konkreten Herausforderungen, die Gemeindetagspräsident Jäger aufgeführt hatte. Mit einer Standardrede und dem Hinweis, „dass für viele Aufgaben der Bund zuständig sei“, konnte er beim Publikum überhaupt nicht punkten. Zumal „Grün“ ja auch im Bund in der Regierungsverantwortung steht. Wahrscheinlich kannte er die Rede von Steffen Jäger auch nicht. Ich habe mir schon die Frage gestellt, warum im Staatsministerium nicht vorher nach der Rede von Herrn Jäger gefragt wird. Dann könnte man den MP darauf vorbereiten. Oder ist es der Landesregierung nicht so wichtig, konkrete Antworten oder eine fundierte Erwiderung auf die Fragen des kommunalen Spitzenverbandes zu geben? Kommunalminister Strobl und Manuel Hagel waren ebenfalls anwesend und haben dazu sicher auch eine Meinung. Bemerkenswert fand ich noch, dass die Grünen Vorsitzende Ricarda Lang die Veranstaltung nach der Rede des Präsidenten Steffen Jäger und vor der Rede des Ministerpräsidenten verlassen hat. Sie hat auf jeden Fall ganz genau gehört, wo die Kommunen im Land der Schuh drückt“.

Hier können Sie die erstklassige Rede von Steffen Jäger nachlesen:


Gemeindetagsprädient Steffen Jäger, Fotos: Bildungsleiter Friedhelm Werner
Landesgeschäftsführerin Dr. Annette Silberhorn-Hemminger, Gemeindetagsprädent Steffen Jäger, Bildungsleiter Friedhelm Werner