Kinder- und Jugendbeteiligung: Das dreifach magische Dreieck der Kinder- und Jugendbeteiligung!

Jugendbeteiligung – wo hapert’s? Das war das Thema des zweiten Vortragsblocks, das die Organisatioren Bildungsleiter Friedhelm Werner gestellt hatten. Anhand von einem dreifach „magischen Dreick“ zeigte er bewusst zugespitzt auf, woran es aus seiner persönlichen Sicht „hapert“ und wie die Ursachen miteinander verbunden sind. Kennt man die Stolpersteine, kann man daraus in umgekehrter Weise Erfolgsfaktoren für gelingende Kinder- und Jugendbeteiligung herausarbeiten. Lesen Sie hier seinen zusammengefassten Impulsvortrag:
Das erste Dreieck: Politik – Bürgerschaft – Verwaltung
Bei der Bürgerschaft/Zivilgesellschaft fehlt es am Bewusstsein, an der mangelnden Vorbereitung und Auseinandersetzung mit dem Thema. Wobei der Begriff Bürgerschaft weit gefasst wurde (d.h. inkl. Kinder, Jugendlichen, Eltern, Vereine, Kirchen, … die Beteiligung bislang kaum inspirierend erleben). Der demokratische Wandel ist in der Gesellschaft noch nicht überall angekommen. Kinder und Jugendliche leben in schwierigen Zeiten und sind echte Teilhabe und Beteiligung kaum „gewohnt“. Bei der Politik fällt der Stolperstein in der Entstehungsgeschichte („Geburtsfehler“) ins Auge. Der Landtag beschließt ein Gesetz, verordnet quasi Jugendbeteiligung „top – down“ und greift damit in die grundrechtlich garantierte Selbstverwaltung der Kommunen ein. Viele Bürgermeister praktizierten auf der anderen Seite bereits vielfältige Möglichkeiten der Jugendbeteiligung (Jugendgemeinderat, Jugendparlament). Bei der Verwaltung liegen die Gründe, woran es hapert auf der Hand: Kinder- und Jugendbeteiligung kostet Zeit, Personal und Geld. Und es macht richtig Arbeit und Entscheidungen aufwändiger. 1.500 Euro Tagessatz für eine betriebswirtschaftliche Beratung zur Einführung der Doppik wird von der Verwaltung „durchgewunken“. Derselbe Tagessatz für einen Fachberater in der Jugendbeteiligung ist nicht darstellbar. Keine Freude für eine Verwaltung sind auch die Fülle an unbestimmten Rechtsbegriffen (Planungen, Vorhaben, angemessene Weise, …) im § 41a GemO, die die Arbeit nicht einfacher machen.
Das zweite Dreick: OB/Bürgermeister – Schule – Gemeinderat
Wenn es in diesem Zentrum „hapert“, läuft nichts. Der OB oder der BM ist der zentrale Erfolgsfaktor für gelingende Kinder- und Jugendbeteiligung in den Kommunen. Wenn man alle drei Akteure auf seiner Seite hat, gelingt fast alles. Als Vorsitzender des Gemeinderates und Leiter der Verwaltung kommt den OBs/Bürgermeistern im Land einfach die zentrale Rolle bei der Umsetzung von Kinder- und Jugendbeteiligung zu. Allerdings wünschen sich viele Rathauschefs Jugendbeteiligung als Leuchtturm-Projekt und weniger als arbeitsreicher Prozess. Hier ist Vorbild in Haltung und Handlung gefragt. Die Schule ist ebenfalls ein grundlegender Förderer oder Verhinderer, weil sie der zentrale Erlebnis-Ort der Kinder und Jugendlichen darstellt. Zeit, Unterrichtsvorlagen, Überzeugung der Schulleitung und positive Unterstützung des staatlichen Schulamtes sind in diesem Bereich wichtige Faktoren. Der Gemeinderat ist lt. Gemeindeordnung das Hauptorgan in einer Gemeinde. Er legt die Grundsätze der Verwaltung fest. D.h. der Rat kann Gas geben oder bremsen, er kann die Hauptsatzung und Geschäftsordnung anpassen und Rechte abgeben oder auch nicht. Im Haushaltsplan, dem Regierungsprogramm in Zahlen, kann der Gemeinderat „Ressourcen“, d.h. finanzielle Mittel samt Bewirtschaftungsbefugnis für einen Jugendgemeinderat einräumen oder nicht.
Das dritte Dreick: Die kommunalen Spitzenverbände – die Fachleute/Fachberater – und die Jugendverbände, die Landeszentrale für politische Bildung, …
Der Gemeindetag und der Städtetag haben ebenfalls zentrale Einflussmöglichkeiten auf das Gelingen oder den Erfolg von Kinder- und Jugendbeteiligung. Mit dem Gemeindenetzwerk und seinen Fachleuten, mit der Fachzeitschrift BWGZ hat insbesondere der Gemeindetag Baden-Württemberg maßgeblichen Einfluss auf die Weitergabe von „best practice“ Beispielen und dem Setzen von Themen, die bei Bürgermeistern „dran“ sind. Herrenberg (Weitere Städte: Renningen, Heddesheim, Oberndorf, Steißlingen, …) und viele weitere Städte gehen bereits voran und sind Vorbild. Ein Bereich, wo es derzeit noch etwas hapert sind die Fachberater, Jugendbeteiliger, Stadtplaner,  … die mit zu wenig Ideen, Esprit und Strategie an diesem Thema arbeiten. Junge Menschen merken schnell, ob das „Feuer brennt“. Und Fachberater kosten Geld. Tagessätze von 1000 Euro zuzügl. Steuern und Fahrtkosten sind Usus; aber für viele Kommunen im freiwilligen Bereich nicht vertretbar. Profis sind aber nötig. Bei den Jugendverbänden, wie z.B. dem Landesjugendring, könnten dessen Infos und seine Öffentlichkeitsarbeit noch verbessert werden. Die Materialien enthalten u.a. zu wenig konkete, attraktive und nachahmenswerte Beispiele. Bei der Landeszentrale für politische Bildung holpert vor allem der Hang zur komplizierten Sprache und der Drang zur aufwändigen Wissenschaftlichkeit verbunden mit einer geringen Attraktivität in Grafik/Gestaltung bei den Arbeitsmaterialien. Vielleicht spielt in diesem Falle die nicht vorhandene finanzielle Ausstattung der Landeszentrale für Maßnahmen nach § 41 a GemO eine gewisse Rolle.
Die drei magischen (hängen alle miteinander zusammen) Dreiecke bilden so eine Art Enneagramm und werden „eingerahmt“ von einer guten oder schlechten Presseberichterstattung. Ist die Presse gut, sind die Bürgermeister motiviert. Kommen nur fünf Jugendliche zum Meeting oder ist die Wahlbeteiligung gering, wird es oft still um die Jugendbeteiligung. Wem das dreifache Dreieck zu kompliziert ist, der kann auch auf das bekannte magische Viereck zurückgreifen.  Das lässt sich gut mit den vier Fragen auf den Punkt bringen: Erfolg oder Misserfolg von Kinder- und Jugendbeteiligung hängt danach von vier Fragestellungen ab:
1. WER wird tätig? Die Frage nach den Akteuren.
2. WIE wird Beteiligung organisiert? Die Frage nach der Strategie.
3. WAS soll eingerichtet werden? Die Frage nach der Organisationsform (JGR, JuPa, 8er Rat, 14er Rat…).
4. WOMIT kann Kinder- und Jugendbeteiligung rechnen? Die Fragen nach den drei großen R: Räume, Rechte und Ressourcen.


 
Friedhelm Werner
Bildungsleiter